Freitag, 28. Januar 2011

Gruppen-Ausflug der Piraten zum Dresdner Stadtrat

Als kommunalpolitisch interessierter Bürger und Mitglied der Piratenpartei, Kreisverband Dresden verfolge ich nun seit über einem Jahr das Geschehen im und um den Stadtrat.

Gestern, am Donnerstag den 27. Januar gelang es mir zum ersten Mal sage und schreibe 5 Piraten gleichzeitig von einem Besuch der Stadtratssitzung zu überzeugen.

So trudelten ab 17 Uhr immer mehr interessierte Piraten auf der Zuschauertribüne des Plenarsaales ein, um sich ein Bild vom Ablauf einer Stadtratssitzung zu machen.

In in den ersten beiden Tagesordnungspunkten ging es noch um "Formalien".

Nämlich zum Einen um das Ausscheiden des CDU-Stadtratsmitglieds Lars Röher aufgrund seines Wechsels ins Büro der Oberbürgermeisterin.
Zum Anderen gelobte Astrid Hupka(CDU) als dessen Nachfolgerin die gewissenhafte Erfüllung ihrer Aufgaben nach §35 Abs. 1 Sächsischen Gememeindeordnung.

Doch dann ging Lars Kluger, ebenfalls CDU, "in die Vollen".

Er eröffnete die aktuelle Stunde zum Thema "lokales Handlungsprogramm zur Verbesserung von Ordnung und Sauberkeit" mit dem Satz: „Kommst Du mal nach Gorbitz rein, soll Dein Gruß Heil Hitler sein.“

Ich war, wie fast alle Anwesenden im Saal zunächst schockiert. Nicht allein und in erster Linie wegen des Satzes selbst, sondern in erster Linie wegen der Unverfrorenheit mit der Herr Kluger einen sinnverfälschenden Zusammenhang zum Antrag herstellte.
Doch damit nicht genug: Herr Kluger versicherte sich selbst noch einmal der Richtigkeit seiner Argumentation, indem er betonte, dass der Satz monatelang am Amalie-Dietrich-Platz prangte, ohne dass ihn jemand beseitigt hätte. Darauf schien er richtig stolz zu sein.

Er ließ es sich übrigens nicht nehmen, sich auch über, seiner Meinung nach vornehmlich von grünen und linken Jugendlichen angebrachten Stickern an Regenrohren, Ampeln und Straßenschildern zu mockieren, die ihm regelmäßig begegnen, wenn er morgens (in Pieschen) zur Straßenbahnhaltestelle geht.

Dafür, dass Jugendliche sich auf eigene Weise im öffentlichen Raum verständigen und ausdrücken, konnte Herr Kluger keinerlei Verständnis aufbringen, sodass er den auf Erfahrungswerten beruhenden Vorschlag, durch "professionelles" Graffiti Schmierereien an Hauswänden zu vermeiden, als Unsinn abtat.

Sowohl die Fraktion der Grünen, als auch die der Linken und der freien Bürger übten harsche Kritik an der leichtsinnigen Gleichsetzung von Nazi-Schmierereien an öffentlichen Plätzen mit Hundekot, Graffitis und den Hinterlassenschaften von Jugendlichen nach Feiern in öffentlichen Parks.
Für alle diese Vergehen sieht die antragstellende CDU-Fraktion das Ordnungsamt in der Pflicht. Dessen Mitarbeiter sollen demnach zukünftig auch das Alkohol- und Rauchverbot auf Spielplätzen kontrollieren und durchsetzen.
Herr Kießling, Fraktion die Linke, wies - durchaus etwas zynisch - darauf hin, dass die Stadtverwaltung unter CDU-Führung (~10 Jahre Detlef Sittel, CDU) einige bis alle Streetworkerstellen in der Landeshauptstadt wegrationalisiert hat.

Herr Kluger ließ sich immer wieder, auch nach Korrektur durch Herrn Hille (Bürgerfraktion) dazu hinreißen, das Wort Täter zu benutzen, wenn er von Ordnungswidrigkeiten sprach.

Zwar übte auch Albrecht Pallas von der SPD-Fraktion Kritik am Antrag, jedoch spielte wohl letzendlich der eigene Antrag für ein sogennantes "Dreck-Weg-Bürgertelefon" bei der Zustimmung seiner Fraktion zum Antrag der CDU die ausschlaggebende Rolle. War man doch als SPD auf Stimmen der CDU angewiesen, um den eigenen Antrag durch zu bekommen.

Während Herr Kluger gestern Abend noch von einem "Mini-Milliönchen" sprach, lese ich heute in der sächsischen Zeitung sogar von drei Millionen Euro.

Das wird wahrscheinlich ebenso "falsch" sein, wie der Ausdruck "mit breiter Mehrheit beschlossen" für eine Beschlusslage von 38:31.

Ach ja, Herr Gentzschmar, von der FDP-Fraktion ließ es sich nicht nehmen, auf die vorbildliche Erziehung seiner Kinder zu Sauberkeit und Ordnung im heimischen Haushalt hin zu weisen.

Meinen großen Unmut über die Annahme des Antrages konnte eigentlich nur das Eingeständnis von Anita Köhler (Bürgerfraktion) etwas dämpfen. Sie gab zu, dass ihr z.B. angesichts "rüpelnder" Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln manchmal der Mut fehlte, einzuschreiten.

Als Einzige brachte sie es meiner Meinung nach auf den Punkt und forderte von allen Anwesenden und auch Bürgern mehr Zivilcourage im täglichen Leben.

Alles in allen kann und muss ich sagen, dass sowohl der Antrag selbst, als auch die Intention desselben nicht nur fragwürdig, sondern darüberhinaus auch fadenscheinig und auf widerlichste Art und Weise populistisch ist.

Herr Kluger und die Fraktionen der CDU und der FDP stehen, in meinen Augen, für eine überholte law-and-order-Politik, die auf Kosten und auf dem Rücken der Jugendlichen in Dresden ausgetragen und durchgesetzt werden soll.

Während Schüler aus berechtigtem Ekel vor runtergekommenen und übel stinkenden sanitären Einrichtungen den Toilettenbesuch in ihrer Schule vermeiden und in einsturzgefährdeten Turnhallen Sportunterricht haben, Kinder und Eltern u.A. in der Neustadt und in Plauen in nächster Zukunft, wenn nicht bereits jetzt, zurecht einen Schulplatzmangel befürchten, gelingt es der CDU durch blanken Populismus eine "Mini-Million"(O-Ton Lars Kluger) für die Erarbeitung eines Handlungsprogramms durch die Stadtverwaltung aus dem Stadthaushalt zu "erkämpfen.

Ich gratuliere Herrn Kluger und den Fraktonen von CDU und FDP zu ihrem gestrigen politischen Kurzfrist-Erfolg (Pyrrhussieg) und prophezeihe der Piratenpartei bei den nächsten Kommunalwahlen (voraussichtlich 2015) den Einzug in der Stadtrat.

Und zwar auf Kosten der beiden Parteien bzw. deren Fraktionsstärke.

Außerdem danke ich sämtlichen Fraktionen und Stadtratsmitgliedern für diese Lehrstunde in Demokratieverständis und moralischer Integrität.

Den Einen für's Vorhandensein von beidem, den Anderen für's Schärfen meines politischen Feindbildes

P.S. Wenn ich noch Muße finde, schreibe ich in den nächsten Tagen noch etwas zu den anderen Tagesordnungspunkten, die mir eine Erwähnung wert sind.

P.P.S. Hier noch ein Link zum Podcast, den Dirk und ich zusammen aufgenommen haben.

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