Donnerstag, 1. November 2012

Das "Demokratieverständnis" des Landesvorstandes der Sächsischen Piraten

Gestern hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, einem Treffen des Sächsischen Landesvorstandes in der kürzlich eingeweihten, neuen Landesgeschäftstelle beizuwohnen.

Der LaVor_SN tagt sonst in der Regel in Mumble, einer Online-"Telefon"-Konferenz-Software, die es jeder/jedem (mit entsprechender Hard- und Software und einer vorhandenen Internetverbindung) ermöglichen soll, der Sitzung zumindest mit den Ohren folgen zu können.

Was ich gestern hautnah erlebt habe, ließ und lässt mich - innerlich, wie äußerlich - erzittern und schaudern.

Da musste ich also miterleben, wie eine gute demokratische Tradition, nämlich dem Beschluss durch aktive Zustimmung massiv vor die Wand gefahren wurde und wird.
Der Landesvorstand hat nämlich angeblich in seiner für ihn bindenden Geschäftsordnung geregelt, dass zunächst die Gegenstimmen abgefragt werden. Nach dem Studieren der GO, kann ich dies allerdings nicht bestätigen. Weiterhin wurde mir der Begriff des "approval voting" entgegengeschmettert. Doch genau dem, worauf "approval voting" hinausläuft, nämlich die aktive Zustimmung, hat die Praxis des LaVor_SN heute einen Bärendienst erwiesen. Der Versammlungsleiter fragte nach der (mitunter sehr kurzen) Diskussion der jeweiligen Anträge nämlich nicht etwa zuerst die Zustimmung, sondern die Gegenstimmen ab und ließ die Frage nach Zustimmung(en) und Enthaltung(en) ganz unter den Tisch fallen. Anschließend wurde jedoch im Protokoll Folgendes erfasst: "Dafür: Alle Anwesenden".

Am besten wird das Problem, das ich mit dieser "Herangehensweise" habe, an folgendem Antrag deutlich, den der Landesvorsitzende, Florian André Unterburger, recht kurzfristig (wann genau, ist für mich auf die Schnelle nicht herauszufinden) gestellt hatte:
Text: Der Landesvorstand möge die Unvereinbarkeitserklärung unterzeichen.
Begründung : Die gescheiterte Unterzeichnung bei der HV Dresden am vergangenen
Wochenende war ein sehr negatives Signal nach Außen. Der Landesvorstand
kann das Bild zumindest geringfügig korrigieren, indem er die Erklärung
unterzeichnet. Hierbei ist es irrelevant, wer den Text geschrieben hat,
es zählt nur, was darin steht. Themen statt Köpfe.
Er folgte eine längere Diskussion der anwesenden Vorstandsmitglieder UND der anwesenden, nicht-stimmberechtigten Mitglieder des LV Sachsen. Dabei wurden einige, meines Erachtens stichhaltige, Argumente vorgebracht, die erst nach meiner ausdrücklichen Aufforderung und nur in Stichworten und unvollständig ins Protokoll aufgenommen wurden:
Zusatzinfos  = Kritik: "Zu personenbezogen", "Papiertiger", "Strukturelle Gewalt gegen strukturelle Gewalt?!"
Meiner Aufforderung, den Antrag zurückzuziehen, kam der antragstellende Landesvorsitzende nicht nach, aber immerhin wurde der Antrag durch die Mehrheit der anwesenden Landesvorstandsmitglieder auf die nächste Sitzung vertagt.

Im Gegensatz zur sogenannten Unvereinbarkeitserklärung hebt der "konkurrierende Antrag" der ehemaligen politischen Geschäftsführerin (auf Bundesebene), Marina Weisband (@afelia), nicht auf den Rauswurf missliebiger Piraten aus der Partei ab, sondern setzt auf aktives Distanzieren jeder/jedes Einzelnen von Äußerungen mit Bezug auf "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit".

Während also Ersterer auf eine Lösung durch einmalige Bekundung per "Unterschrift" und Rauswurf von Personen aus der Partei setzt, fordert Letzterer eine ständige und immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit "menschenfeindlichen Meinungen". Doch die Auswahl zwischen diesen beiden Texten gab es überhaupt nicht. Weder auf der Kreishauptversammmlung der Dresdner Piraten am vergangenen Wochenende, noch auf der gestrigen Vorstandssitzung.

Möge die gestrige Landesvorstandssitzung und das (Abstimm-)Verhalten einzelner Vorstandsmitglieder als abschreckendes Beispiel dienen, wie mensch es definitiv nicht machen sollte:

Kurzfristig eingereichte und unabgesprochene Anträge, die zudem noch selbst "strukturelle Gewalt" enthalten, indem sie den Ablehnenden selbst zu einem Rassisten, Sexisten oder Ähnliches machen, sollten mindestens vertagt, wenn nicht sogar abgelehnt werden.

Die Beschlussfassung sollte in der "guten, alten demokratischen Tradition", zunächst die Dafür-Stimmen abzufragen, erfolgen.

Die Kritik am jeweiligen Antrag sollte, egal ob von einem stimmberechtigten Vorstandsmitglied, oder von einem nicht-stimmberechtigten Mitglied der "Terrorbasis" geäußert, sofort ins Protokoll mitaufgenommen werden.

Ich hoffe, dass ich meine Kritik hinreichend deutlich machen konnte und warte nun auf die Autrittsforderungen derjenigen mir gegenüber, die es partout nicht begreifen können und/oder wollen.

Demokratie braucht Zeit und lebt vom aktiven Mitmachen bzw. Mitgestalten... und nicht von "wer schweigt, scheint zuzustimmen".

Weitere Anmerkungen zum Verfasser und Erstunterzeichner der Unvereinbarkeitserklärung spare ich mir an dieser Stelle, denn er ist am 30. September, ganz ohne erfolgreiches Parteiausschlussverfahren gegen ihn, freiwillig aus der Piratenpartei ausgetreten. Die Gründe dafür hat er ganz transparent irgendwo im Internet hinterlassen. Wer suchet, der möge finden!

Hasta la victoria siempre
Fidelio

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